Von Champasak zum Ort ohne Namen

 

Von Champasak zum Ort ohne Namen

 

—- Laos, Champasak, Mekong, Ort ohne Namen —-

Gestern Abend ist noch die App von Rita und von Doris eingetroffen. Sie berichten von einer Unterkunft bei einer Fähre ca. 70 km entfernt. Leider wissen sie den Namen des Ortes nicht.

Wie findet man dann einen Ort ohne Namen. Auf der Landkarte schon mal gar nicht. Das Handy und der allwissende Google kann auch nicht weiter helfen. Durch Fragen, wenn keiner die Sprache des anderen versteht, auch nicht. Was bleibt einem anderes übrig als einfach loszuradeln.

Geburtstagsradeln am Mekong

Ich habe heute Geburtstag und in Laos ist Feiertag. Finde ich einen netten Zug, hätte es aber nicht gebraucht. Später kommt die Ernüchterung. Das war gar nicht wegen mir. Heute ist Weltfrauentag, der ist in Laos und in noch ca. 30 Ländern der Welt ein staatlicher Feiertag. Wäre doch ein schönes Beispiel für zu Hause.

Wegen den inzwischen hohen Temperaturen, am Nachmittag will ich schon frühzeitig los, packe meine Sachen und bezahle die Muffbude in Champasak mit den dazugehörigen Getränken und Essen. Witziger weiße hab ich bis auf den letzten Kip genau den Betrag im Geldbeutel.

Abschied von Campasak

Als ich um 6.30 Uhr beim Bankautomaten noch auf einen kleinen Abschiedsbesuch vorbei schaue, kommen mir die Mönche von Ihrem Almosengang entgegen. Campasak ist zwar recht überschaubar, hat aber mehrere Wat’s. Von dem einen oder anderen kommen gerade die Frauen zurück, die den Mönchen Ihre Essensgaben gebracht haben. Warum das Wat auch mal als Vat bezeichnet wird, hängt wieder mit den verschieden ethnischen Gruppen, die in Asien oft auf kleinem Raum anzutreffen sind, zusammen. Auch Ortsbezeichnungen werden oft verschieden geschrieben. Was das Suchen oder Programmieren auf dem Handy nicht gerade einfacher macht.

Schon drei Kilometer nach Champasak zieht mich mein roter Raser von der Asphaltstraße auf einem Schotter- und Sandweg an den Mekong

Kurz hinter Campasak wird Roter Staub die nächsten Tage mein Begleiter
Einfache Brücken für Fußgänger und Radler
Trampelpfad für Radler, Mopeds und Fußgänger

Sabadee

Der Weg führt durch viele kleine Dörfer, direkt oder in zweiter Reihe, am Mekong entlang. Überall werde ich als Ausländer freundlich mit Sabadee begrüßt. Egal ob Frauen, Männer oder Kinder. Letztere sind wegen des Feiertages nicht in der Schule, somit bin ich gezwungen im Sekundentakt mit Sabadee antworten oder abzuklatschen. Oft sehe ich die Kinder, die unter einem der Stelzenhäuser hervorrufen, gar nicht. Sobald wieder ein Sabadee zu hören ist, rufe ich einfach zurück. Ich muss mich mit meinem vollgepackten Rad auf die buckligen Straßenverhältnisse konzentrieren und kann, um einen Sturz zu verhindern, nicht jedem Winken oder Abklatschen.

Sabadee im Minutentakt
Abklatschen

Mountenbike oder Faltrad

Der Weg ist oft recht ausgefahren und ausgewaschen. Die Fahrt hat schon was von einem Rodeoritt an sich. Ich bin bisher mit meinem Rad überall durchgekommen. Das waren aber hauptsächlich Asphaltstraßen, wenn auch mit riesigen Schlaglöchern. Auch der Schotterweg ist befahrbar, muss aber zugeben, dass bei diesen Straßenverhältnissen ein Mountainbike schon ein paar Vorteile hätte.

 

Gegenverkehr mit Abgas und Staub
Der billige Jakob auf der Buckelpiste

Am Mekong

Der Ausblick auf den Mekong und die freundlichen Menschen gleichen die Strapazen der Buckelpiste wieder aus.

 

 

Das Übersetzen auf einem der zahlreichen eines Seitenarme des Mekong erfolgt per Boot. Nicht alle diese Boote verfügen über Motorkraft. Immer wieder werden die Boote nur mit einem Seil über das Wasser gezogen.

Warten auf das Boot
Das Boot wird am Seil über den Fluss gezogen

Erste Hilfe am Mekong

Irgendwann ist es wieder so weit.

Ich kann bei meinem Rodeoritt einem der doppelten oder dreifachen Schlaglöcher nicht ausweichen und es haut mich recht unsanft in den Sattel. Meine ohnehin schon verbogene Sattelstütze hat sich wieder um ein paar Grad nach hinten geneigt. Im nächsten Ort halte ich bei einer dieser sehr einfachen Reparaturwerkstätten. Im Nu steht das halbe Dorf um das Fahrrad. Ich bau den Sattel ab und erklär mit Händen und Füßen mein Problem. Sofort kommen zwei Männer und schlagen mit dem Hammer auf das Rohr ein.

Erste (Radler)Hilfe in Laos

 

Ich dachte eigentlich an einen Schraubstock zum Biegen und hab Angst, dass sie mir das runde Rohr so verformen und es nicht mehr ins Sattelrohr passt. Als ich das andeute, holen sie ein weiteres Rohr und versuchen die Sattelstütze am Balken, der das Vordach stützt, zu biegen. Vermutlich i Übereife, einem fremden zu Helfen ist das so heftig und ruckartig, dass ich Angst habe, das ganze Gebäude stürzt ein. Sie bekommen es dann um ein paar Grad gebogen. In Sorge um das Gebäude genügt mir das. Schraubstock ist hier auf dem Land noch ein unbekannter Luxusartikel.

Biegekünstler

 

Meine zurechtgebogene Sattelstütze hält gerade mal für ca. 10 Kilometer, dann folgt der nächste Schlag. Das Ganze ist allerdings noch im verstellbaren Bereich.

Angst vor dem Fotoapparat

Beim Versuch von den Kindern noch ein paar Fotos zu machen verstecken sie sich. Sie scheinen vor der Kamera, dem großen schwarzen Kasten, Angst zu haben.

Als ich später in einem kleinen Dorfladen anhalte und was zu trinken kaufe, wieder das gleiche Bild. Ich bin der Exote der die ganze Nachbarschaft alarmiert und zusammenkommen lässt. Auch beim Fotografieren die gleiche Situation. Alle Kinder drehen sich um oder verstecken sich. Auf die Idee ein Foto mit dem Handy zu machen komme ich erst viel später. Ein Handy kennt selbst in der abgelegenen Gegend jeder und nimmt die Angst.

Pause im Dorfladen
Die ganze Familie ist versammelt

Ort ohne Namen

Ich bin inzwischen am Fähranleger in ????????? angekommen. Es handelt sich hier tatsächlich um einen Ort, der zwar auf jeder Karte erscheint, aber keinen Namen hat. Dort steht neben einem unbewohnten Guesthouse ein junges Mädel und verkauft Eiskaffee. Die pappsüße Flüssigkeit in einem Trinkglas zubereitet kommt in eine Plastiktüte, die dann bis zum Rand mit Eiswürfel gefüllt wird. Mit einem Trinkhalm versehen kann jeder selber regulieren, wie süß er das Getränk schlürfen will. Wer sich viel nimmt, Zeit bekommt, dank der geschmolzenen Eiswürfel, eine gemäßigte Süße. Für den Eiligen ist es eine sehr kalte aber auch süße Versuchung.

Eiskaffeefachverkäuferin

Ich frag meine Eiskaffeefachverkäuferin nach dem Ort mit dem vermeintlichen Motel, das mir Rita und Doris empfohlen haben. Sie versteht nicht ein Wort Englisch und zeigt weiter in die Richtung, in die ich sowieso geradelt wäre. Ich habe keine genauen Angaben, weiß nur, dass es ungefähr  km 70 nach Champasak kommen muss. Ich setze mich ziemlich ausgelaugt auf meinen stromlinienförmigen Sattel und reite einsam dem Sonnenuntergang entgegen. Klingt schöner als es ist. Weitere sieben rumprlige, Schlagloch übersäte Kilometer später werde ich endlich vernünftig, halte ich an einem der Stelzenhäuser an und frag nach einem Hotelzimmer.

Unter den Stelzenhäuser spielt sich das ganze Leben ab

 Der Stolz der Familie

Die komplette Großfamilie, bestehend aus mindestens vier Generationen, hat sich wegen des Feiertages, zum Essen getroffen. Mit den Händen deute ich an, dass ich schlafen möchte. Jetzt kommt die große Stunde der geschätzt, zwölf- oder dreizehnjährigen Tochter. Sie ist die Einzige, die verhältnismäßig gutes Englisch spricht. Sie schickt mich dann wieder vier Kilometer zurück. Dort ist auf jeden Fall ein Hotel. Die ganze Familie ist sichtlich stolz auf das Mädel, das mir dank ihrer Schulbildung helfen konnte.

Was bedeute es für mich? Eigentlich ist umkehren nicht mein Ding. Hat was von verlieren und aufgeben. Aber ich bin für die weiteren 20 km Schlaglöchern, bis zum garantierten nächsten Hotel, zu ausgelaugt und kehre schweren Herzens um. Irgendwo muss ich das verdammte Hotel übersehen haben. Aus den versprochenen vier km werden dann doch sieben und ich lande wieder bei meiner Eiskaffeefachverkäuferin. Das ist inzwischen der örtliche Jugendtreff mit Musik und Bier.

Ich deute auch hier nochmals an, dass ich was zum Schlafen such, und werde nicht um die Ecke gebracht, sondern geschickt. Und siehe da, in 100 m Entfernung steht ein Guesthouse.

Wohnt hier Norman Bates?

Das entspricht aber nicht ganz meinen Erwartungen. Es erinnert mich ein bisschen an Hitchcocks Psycho. Duschen kann ich bei der staubigen Fahrt heute nicht ausfallen lassen. Werde aber die Türe im Blick haben. Nicht das der Messerschwingende Normen Bates noch vorbeischaut.

Ein alter Mann liegt im Eingang auf einer Pritsche und schaut überlaut in den wie in Asien üblich in den Fernseher. Bewegen will er sich nicht, als ich ihn nach einem Zimmer frage. Er deutet auf die Türen rechts und links und ich kann es mir raussuchen.  Die Wahl fällt mir richtig schwer. Eigentlich will ich eher davon laufen als hier schlafen. WLAN ist auch noch Zukunft. Das Ganze hat wieder das Feeling einer Fernfahrerunterkunftohne jeden Charme und Luxus. Allerdings in Vergleich zum letztens Mal doch verhältnismäßig sauber. Mit Formalitäten hält man sich hier im wilden Osten nicht lange auf. Es wird bar auf die Kralle bezahlt und der Schlüssel ist dein. Als ich nach der Klimaanlage frage, bzw. deute wird der alte Mann wieder lebendig. Dafür will er zusätzlich Bares. So heiß ist es aber denn doch nicht.

Meine Unterkunft. Psycho lässt grüßen. Hoffentlich steht hier Norman Bates nicht mit dem Messer in der Dusche.
Links die Rezeption, rechts das Zimmer meiner Wahl.
Der Fernseher und das Nachtkästchen. Liebe im Detail.

 

Ich hab Geburtstag und weiß, dass inzwischen alle auf eine Antwort per WhatsApp warten, hab aber kein WLAN und kein Guthaben auf der SIM-Karte. An der Ecke beim chinesischen Gemischtwarenhändler bekommt man neben einer Motorsäge und Schaufel auch ein neues Guthaben auf Handy.

Geburtstagsbier

Meine zierliche Eiskaffeefachverkäuferin hat inzwischen das Business gewechselt. Sie ist jetzt hauptberuflich Bierfachverkäuferin mit einem Nebenjob am Grill. Dort brutzeln irgendwelche schwarzen Fleisch- oder Fischstücke, die selbst einem einsamen Cowboy am Lagerfeuer den Appetit versauen und zur Whiskyflasche greifen lassen. Ich nehme mir ein Bier aus dem Kühlschrank, das auf Grund der gestiegenen Nachfrage, erst ein paar Minuten drin steht. Meine Frage nach einem kalten Getränk missversteht sie und meint, ich brauche einen Öffner. Sie dreht sich kurz um, beißt  den Kronenkorken auf, wischt kurz über den Flaschenhals und reicht mir das Beerlao. Ich bin perplex und fange schallend an zu Lachen.

Ca. 100 m gegenüber am Mekong gibt’s dann eine WhatsApp Fragestunde mit einem warmen Geburtstagsbierchen und später noch einen Skype nach Hause. Dabei beobachte ich das Leben im Dorf ohne Namen. Es ist schon eine sehr staubige Angelegenheit an dieser Hauptkreuzung zur Fähre.

Staubige Angelegenheit

Immer wieder Sabadee

Es wäre langsam Zeit, dem Magen auch was Festes zukommen zu lassen. Ich radle in der warmen Abendsonne noch mal das Dorf ab und such ein Restaurant. Leider finde ich hier nichts, was meinen Ansprüchen genügt. Ich wünschte mir beim Essen, etwas mehr Mut das unbekannte zu probieren. Hier kommt hald der Schwabe durch. „Was der Bauer it kennt dös frisst er it.“

Das Radeln wird langsam zu Belastung. Auch hier im Dorf muss ich ständig mit den Kindern abklatschen und mein Sabadee ist langsam erlahmt und bleibt mir im Hals stecken.

Es wird dunkel und eine Straßenbeleuchtung ist nicht vorhanden. Im spärlichen Licht der Autos wirkt der Ort durch den aufgewirbelten Staub gespenstig wie in einer Szene aus Mad Max.

Auf dem Zimmer nehme ich mein Geburtstagsmenü in Form eines alten gummigen Baguettes von heute früh zu mir. Ich schleppe seit Luang Prabang als Notfallration drei Becher dieser Instantnudelsuppen mit mir herum. Jeden Morgen beim Packen nerven die Dinger aufs Neue und nehmen Platz weg. Darum sind sie mit der Zeit in der Radlertasche  immer weiter nach unten gewanderet. Glaubst du ich, wäre auf die Idee gekommen, dass jetzt so Notfall eingetreten ist.

Gute Nacht John Boy

52 Rad: Laos – Champasak – Fährhafen – Ort ohne Namen – https://www.komoot.de/tour/1409618520

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Alle auf dieser Seite genannten Produkte, Hotels, Veranstalter usw. wurden von mir selber bezahlt. Ich habe keine Vergünstigung erhalten.  Sollte es Produkte geben, für die ich eine Provision bekomme, sind die mit einem Werbehinweis versehen.

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