In den Fängen der Transportmafia.

In den Fängen der Transportmafia.

 

—-Transportmafia, Sim Reap, Poi Pet, Koh Chang —-

 

Bei der gestern gebuchten Fahrt nach Koh Chang wurde uns versichert, dass wir mit dem Minivan incl. Fähre in sieben Stunden am Ziel sein würden. Auf der Quittung wurde auch die Abfahrtszeit am Hotel zwischen 8.30 und 9.00 Uhr vermerkt. Anhand eines Fotos auf dem Handy wird mir versichert, dass der Transport meines Faltrades kein Problem ist. Jeder Fahrgast hat 25 kg Gepäck frei, egal wie groß es ist.

Warten, warten, warten…

Wir sitzen rechtzeitig um 8.25 Uhr in der Lobby und warten. Als um 9.00 Uhr noch niemand da ist, lassen wir anrufen und nach dem Zubringer fragen. Hier wird uns versichert, dass der Van unterwegs ist und in 10 Minuten hier sein wird.
Um 9.30 Uhr ist immer noch kein Minivan oder Tuk-Tuk in Sicht. Wieder das gleiche Spiel. In 10 Minuten werden wir abgeholt. Ich kenn ja inzwischen die laotische Pünktlichkeit und denk mir, die Kambodschaner stehen hier den Laoten in nichts nach.

Als um 10.15 Uhr immer noch niemand hier ist, wird sogar der Hotelangestellte unruhig und ruft von sich aus nochmals an. Jetzt geht es plötzlich flott. Nach zwei Minuten steht ein Pkw vor der Tür. Fast alle Autos und auch die Minivans fahren in Kambodscha mit Gas. So auch unser Pkw. Er hat im Kofferraum den zusätzlichen Gastank, der natürlich einiges an Platz wegnimmt.

Dumm stellen hilft auch nicht weiter

Als ich mein Rad zum Auto trage, stellt sich der Fahrer doof und versucht das Rad in den Kofferraum zu bringen. Selbst ein Kleinkind sieht auf den ersten Blick, dass das nicht geht. Unser Fahrer ist scheinbar gedanklich nicht so weit und stellt sich weiterhin nur doof an. Isolde erklärt ihm dann, dass das Rad, übrigens zusammengefaltet und in einem Sack verpackt, auf dem Rücksitz spielend leicht Platz hat. Das kommt unserm Fahrer spanisch, bzw. kambodschanisch vor, darum ruft er bei der Company an. Das Ergebnis: Wenn wir fünf Dollar Aufpreis zahlen, fährt uns der Pkw nicht zum Busbahnhof, sondern, incl. Fahrrad, direkt zur Grenze. Da die Fahrt mit dem Pkw doch angenehmer ist als in einem vollen Bus, sind wir mit dem Aufpreis einverstanden.

Kaum ja gesagt, welche ein Wunder, jetzt hat das Fahrrad plötzlich auf dem Rücksitz Platz. Zudem Zeitpunkt dachten wir noch an asiatische Eigenheiten. Dass wir schon hier in die Fänge, der der Transportmafia geraten sind, war uns zu dem Zeitpunkt noch nicht klar.

Mein gefalteter RR auf dem Balkon
Fahrrad transportfertig verpackt

Der Grenzübergang von Poi Pet

Die 150 km zum Grenzübergang Poi Pet sind in gut 2 ½ Stunden zurückgelegt. Der Ort selber lebt vom Glücksspiel, das in Thailand verboten ist und somit zahlreiche Thais über die Grenze lockt. Große hässliche Betonburgen mit Kasinos und Hotel prägen das Ortsbild.

Zur Grenze von Poi Pet
Warenhandel an der Grenze bei Poi Pet

Der Pate.

Wer erinnert sich nicht an den nuschelnden Marlon Brando als Don Vito Corleone. Der hat mit unserem Paten, einem kleinen Schleuser, nur eines gemeinsam, beide waren Ganoven. Der Eine ein großer, unserer eher ein kleiner, optisch und sowohl auch als Ganove. Er ist Mitglied der thailändisch-kambodschanischen Transportmafia. Doch der Reihe nach…..

Unser Ganove

Hundert Meter vor dem Grenzübergang werden wir schon von einem Mitarbeiter der Company, ich nenn ihn mal „Ganövchen“, erwartet. Ohne zu fragen, wird das Gepäck auf einen Sackkarren geladen und zur Grenze transportiert. Schon klingeln alle Alarmglocken. Erstes Gebot für Dienstleistungen: Den Preis verhandeln. Der liegt bei 8 Dollar. Das ist unverschämt. Als ich die Gepäckstücke wieder abladen will, bekommen wir es für drei Dollar. Das ist zwar immer noch zu viel, aber der arme Hund, der das schleppen darf, kann das Geld dringend gebrauchen. Bleibt zu hoffen, dass er es auch behalten darf und nicht bei irgendeinem Zuhälter abliefern muss.

Das Fahrrad bleibt hier

Wir werden zur Grenzstation begleitet, sind in fünf Minuten aus Kambodscha raus und im Niemandsland zwischen den beiden Staaten. Jetzt fängt „Ganövchen“ damit an, dass das Fahrrad hierbleiben muss. Des Weiteren sollen wir uns beeilen, der Minivan startet pünktlich um 14.00 Uhr und ist schon fast voll. Wir ignorieren ihn und stellen uns in die Warteschlange für das Thailand-Visum. Das dauert dann ca. 30 Minuten. Währenddessen schiebt unser Tagelöhner das Gepäck schon mal nach Thailand. Isolde hat Angst, dass, wenn wir aus dem Visagebäude heraus sind, das Gepäck verschwunden ist. Da hab ich weniger Sorge, mir geht eher der Gedanke durch den Kopf, dass man in Asien das Gepäck nicht unbeaufsichtigt liegen lassen soll. Die Gefahr, dass hier Drogen eingeschmuggelt werden ist, vorhanden. Wieder mal zu viel Krimi geschaut. Wird schon gut gehen.

Nach dem alle thailändischen Visastempel im Pass sind, wir haben übrigens entgegen anderen Berichten auf dem Landweg ein 30 Tage Visum bekommen, stehen wir wieder beim Ganövchen mit dem kompletten Gepäck. Er erklärt uns jetzt zum wiederholten Male, dass das Fahrrad hierbleibt. Ich denke an den Minibusfahrer von Lak Sao der mich richtig über den Tisch gezogen hat und will kein zweites Mal beschissen werden.

Verhandlungen mit unserem Ganövchen

Mit dem Faktor Zeit versucht er Druck aufzubauen. Wir sollen uns beeilen, der Minivan muss in 10 Minuten starten, da er sonst die letzte Fähre nach Koh Chang nicht mehr erreichen kann. Außerdem ist der Van schon fast voll. Wenn wir nicht sofort mitkommen dann klappt`s heute nicht mehr mit Koh Chang, da das die letzte Möglichkeit wäre.

Das Fahrrad bleibt hier. – Kommt nicht in Fragen. Ich erkläre ihm, dass das Rad einen Wert von 1500 Dollar hat. (eine Summe die für Laoten unvorstellbar ist) wenn er das bezahlt, kann er es behalten. Klar, dass wir so nicht einig werden.

Wir zahlen weitere 400 Baht (10€) pro Person, das Rad bleibt trotzdem hier und wir können sofort mit. — Diese Logik bleibt uns verschlossen. Wir dachten zuerst, das ist eine Zuzahlung für das Rad, die ich ja bezahlt hätte. Trotz mehrmaligem Nachfragen will er das Fahrrad nicht transportieren. Vermutlich sind unserem Ganövchen ganz einfach nur die Argumente ausgegangen.

Wir können für 2000 Bath (50€) mit dem Taxi fahren. Da können wir dann das Faltrad mitnehmen. — Zufälligerweise steht jetzt plötzlich auch ein Freund von unserem Ganövchen daneben. Der wiederum, welch ein Wunder, einen Freund als Taxifahrer hat. Auch der meint, wir müssen uns schnell entscheiden, da sonst die Fähre weg ist.

Immer ruhig bleiben

Es entwickelt sich eine heftige Diskussion. Ich muss Isolde, mit Rücksicht auf die asiatische Kultur, in der folgenden halben Stunde immer wieder bremsen und darauf hingewiesen, dass man hier nicht laut werden und ganz easy mit einem Lächeln verhandeln soll. Ruhig bleiben fällt uns beiden schwer. Verdammt schwer. Wir bestehen auf die Fahrt mit dem Minivan incl. Fahrrad. Mir ist inzwischen klar, dass das Fahrrad nicht umsonst mitkommt. Ich denke, der will einen Aufpreis für das Rad raus schinden. Ich wäre, sofern der Preis stimmt, ja einverstanden. Hab bei den Minibussen bisher immer einen Aufpreis bezahlt. Nee, der ist offensichtlich auf die überteuerte Taxifahrt aus. Wir kommen zu keiner Einigung. Bevor das Ganze aus dem Ruder läuft, drohen wir mit der Polizei. Leider hatte das nicht die von mir erhoffte Wirkung. Er war sofort damit einverstanden. Jetzt wiederum werde ich skeptisch. Wenn der ohne mit der Wimper zu zucken zur Polizei geht, denke ich mir, stecken die bestimmt unter einer Decke.

Touristenpolizei contra Transportmafia

Der Tourist-Polizist in einem Container im Niemandsland ist gerade beim Mittagessen. Trotzdem hört er ganz freundlich zu. Zuerst dem Ganövchen, dann in Kurzform auch uns. Obwohl unsere Englischkenntnisse nicht sehr umfangreich sind, vergrößert sich in der Wut der Wortschatz enorm. Isolde ist inzwischen auf 180 und könnte den kleinen Gangster am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Aber ganz wichtig: Immer lächeln, lächeln, lächeln

Kurz darauf kommt ein zweiter Polizist dazu. Der ist körperlich und akustisch präsenter als sein Kollege. Jetzt beginnt, wie in einem schlechten Film, das Wechselspiel „guter Bulle, böser Bulle“. Die beiden Gesetzeshüter vermitteln einem schon das Gefühl, dass sie die Sache ernst nehmen. Unser Schleuser telefoniert immer wieder mit seiner Company. Irgendwann wird Isolde das Handy in die Hand gedrückt und sie wird von dem Unbekannten als „bad tourist“ beschimpft.

Höhere Instanz

Die Polizisten kommen zu dem Schluss, dass das Problem nur eine höhere Instanz, wie das hier ansässige Konsulat, lösen kann. Das hätte für uns zur Folge, dass wir hier übernachten müssen und somit das gebuchte Quartier in Koh Chang umsonst bezahlt wäre. Als das Wort Konsulat auftaucht, wird unser Mitarbeiter des Jahres der Transportmafia nervös und telefoniert wieder mit der Company. Wie aus heiterem Himmel kommt das Angebot: Da das Fahrrad einer anderen Person den Platz wegnimmt, sollten wir diesen Preis bezahlen, dann könnten wir mitfahren. Ja, wir sind einverstanden, hab ja schon von Anfang an damit gerechnet.

Minibus der Transportmafia

Jetzt geht es schnell

Innerhalb von 15 Minuten sitzen wir in einem halb vollen Minivan und bewegen uns in halsbrecherischer Fahrt in Richtung Meer. Jetzt haben wir viel Zeit, über die letzten Stunden, mit der Transportmafia und dem Gespräch mit der thailändischen Touristenpolizei, nachzudenken.

Kaum über der Grenze ist es für mich wie in einer anderen Welt. Die Straßen sind plötzlich wieder befahrbar, keine Schlaglöcher, kein Staub, keine kilometerlangen Schotterstrecken, es wird nicht gehupt beim Überholen und die Fahrzeuge sind wieder als solche zu erkennen.

Andere Welt

In Kambodscha war rechts und links der Straße alles braun und vertrocknet. Hier in Thailand ist alles grün. Habe ich am Anfang des Blogs geschrieben, dass in Thailand viel Müll herumliegt, muss ich das jetzt hier wieder zurücknehmen. Im Vergleich zu Laos und Kambodscha gibt es hier eigentlich so gut wie gar keinen Müll, nur ab und zu mal eine Plastiktüte oder Plastikflasche.

Thailand wirkt nach sechs Wochen Laos und Kambodscha wie ein wohlhabendes europäisches Land. Ich habe nicht gedacht, dass der Unterschied so groß ist. Bei der Fahrt mit dem Fahrrad durch die beiden Länder habe ich die Eindrücke langsam und schleichend aufgenommen und schon fast vergessen, wie fortschrittlich Thailand eigentlich ist. Jetzt im Minibus kommen die Eindrücke plötzlich und schnell.

Plötzlich wieder viel Zeit

In Trat muss unser Van zur Tankstelle. Der Tankvorgang mit Gas dauert doch um einiges länger als mit Benzin. Auf jeden Fall haben wir jetzt alle Zeit der Welt. Unser Chauffeur lässt es die letzten 50 km zur Fähre auch ruhig angehen. Dort werden wir dann nochmals zur Kasse gebeten. Für 200 Bath können wir dafür mit dem Van direkt zum Hotel fahren. Es wird langsam dunkel und wir warten ca. 40 Minuten, bis die Fähre um 19.30 Uhr ablegt. Das Druckmittel unseres Schleusers, die Fähre zu verpassen, ist damit auch widerlegt. So wie es aussieht, ist es auch nicht die Letzte, die an diesem Abend ablegt.

Auf der Fähre nach Koh Chang

Auf dem Schiff kommen wir wieder mal mit einem deutschen Paar ins Gespräch, sie kommen, welch ein Wunder, aus der Reisemetropole Augsburg. Mit dem Minivan dauert es dann nochmals 30 Minuten, bis wir um 20.30 Uhr endlich am Khlong Phrao Beach sind. Die Straßen kommen uns in der Dunkelheit extrem steil vor. Unsere gebuchte Anlage, das Boonya-Resort gehört einer Familie aus Südtirol. Es ist angenehm, dass das Einchecken in deutscher Sprache erfolgt.

Nachtrag: Ich vermute, dass das Resort während der Corona-Krise den Besitzer gewechselt hat. Die Webseite, wie ich sie in Erinnerung hatte, gibt nicht mehr. Auf der jetzigen Seite ist nichts zu entnehmen.

Wo ist der Rucksack

In der ganzen Hektik laden wir alle Gepäckstücke aus und stellen sie gleich neben den Empfang des Resorts. In Sekundenschnelle ist der Van verschwunden und mit ihm Isoldes Rucksack, den sie beim Ausladen im Bus auf den Boden gestellt hat. Wir merken das aber erst, als wir unser Zimmer beziehen. Gott sei Dank hab ich wegen der Scherereien an der Grenze ein Foto unseres Fahrzeuges, mit Nummernschild und Telefonnummer, gemacht. Christine, die Besitzerin des Boonya-Resorts schickt uns zum Essen und verspricht, sich um die Sache zu kümmern. Das Resort gehört der Südtiroler Familie Lasso, die mit „intothe-world.com“ einen tollen Reiseblog betreibt. Christines Bericht über eine Bootsfahrt auf dem Mekong war für mich zu Hause am PC das Abenteuer schlechthin und musste unbedingt in die Tourplanung. Wir hatten zwei schöne Tage im Boonay Resort. Ich genoss nach so vielen Tagen asiatischer Kochkunst das Südtiroler Frühstück.

Essen und schon wieder warten

Wir haben, in Anbetracht der zu erwartenden einfachen Toiletten, wenig gegessen und getrunken. Diese Vorsichtsmaßnahme wäre nicht notwendig gewesen, denn die Toiletten in Thailand haben sich auch sehr verbessert und können ohne Weiteres mit den meisten Europäischen mithalten. Wir brauchen dringend etwas in den Magen. Gleich um die Ecke ist das Boonya-Kitchen. Das Restaurant hat nichts mit unserem gleichnamigen Resort zu tun. Es wird von einer Thailänderin geleitet, die sehr gut Deutsch spricht. Das Essen ist hervorragend, aber aufgrund des vermissten Rucksacks können wir es leider nicht genießen. Wir sind mit den Augen mehr auf der Straße und bei jedem Van, der vorbeifährt, als bei den Speisen.

Nachtrag: Auch hier steht bei Google-Maps, dauerhaft geschlossen. Der letzte Eintrag ist vier Jahre alt.

Ende gut, alles gut

Ziemlich enttäuscht, da in der Zeit kein Auto in die Einfahrt zu unserem Resort fährt, laufen wir die 200 m zurück. Dort kommt uns gleich Christine mit dem Rucksack entgegen. Uns fällt ein Stein vom Herzen. Die Lösung: Der Vater des jungen Busfahrers hat den Rucksack mit dem Moped gebracht. Wir waren natürlich auf einen Minivan fixiert und haben es somit gar nicht bemerkt.

Nach einer Dusche und einem kleinen Terrassen-Bierchen nimmt dieser mafiose Tag ein glückliches Ende.

Fazit: Sollte ich noch mal mit dem Minibus fahren, werde ich mein Fahrrad gleich zu Beginn als zweiten Fahrgast bezahlen. Damit ist auf jeden Fall ein weiterer Sitzplatz für mein größeres Gepäckstück frei. Zudem kommt dann, wie in Ayutthaya passiert, keiner auf die Idee, für das Gepäck gleich den dreifachen Preis zu verlangen.

Falls ihr auch schon ein paar schlechte Erfahrungen mit dem asiatischen Transportwesen gemacht habt, könnt ihr das gerne in die Kommentare schreiben.

Hier die Route auf Komoot

59 Minibus: Kambodscha – Thailand – Siem Reap – Kho Chang – https://www.komoot.de/tour/1409620044

Zusammenfassung der Route

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Alle auf dieser Seite genannten Produkte, Hotels, Veranstalter usw. wurden von mir selber bezahlt. Ich habe keine Vergünstigung erhalten.  Sollte es Produkte geben, für die ich eine Provision bekomme, sind die mit einem Werbehinweis versehen.

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