Welcher Weg führt nach Vang Vieng
—- Laos, Luang Prabang, Xiang Ngeun, Pho Kham, Vang Vieng —-
Heute wird es ernst! – Luang Prabang ist ausgelutscht. Es wird Zeit für was Neues.
Die Tour nach Vang Vieng beginnt.
Auch meinen RR juckt es unter den 20zig-Zöllern. Er ist jetzt mehrere Tage im Hof gestanden und brennt auf Asphalt, Schotter, Schlaglöcher und Berge.
Es werden Tage der Strapazen, der Demut und der Dankbarkeit.
Viele Wege führen nach Vang Vieng
Nach Vang Vieng gibt es seit Neuestem zwei Varianten. Einmal eine neue Straße, die westlich über die Berge führt und die alte Route in östlicher Richtung. Während die meisten Busse und der spärliche Schwerlastverkehr inzwischen die Neue gerade Stecke fahren, wird von den Radlern die alte Straße bevorzugt. Die Steigungen sind länger, aber nicht so steil wie bei der neuen Straße. Die alte Route hat, für Radler ganz wichtig; eine gewachsene Struktur mit Gasthäusern und Restaurants. An der neuen Straße ist lt. Reiseberichten auf den ersten 100 km keine Übernachtungsmöglichkeit vorhanden. Ein Blick auf die Onlinekarte MapsME und OsmAand bestätigen das.(Stand 2016)
Eines haben beide gemeinsam: Es gilt richtig Höhenmeter zu kurbeln.
Kurze Etappe
Um die erste Bergstrecke etwas zu entschärfen, empfehlen mir Eva und Hermann die ersten 25 km bis Xiang Ngeun zu radeln. Sie haben den Tipp von einem deutschen Radler, den sie im Norden getroffen haben.
Xiang Ngeun liegt am Fuße des ersten Anstieges. Hier trennen sich die alte und die neue Straße. Das hat den Vorteil, dass die anstrengende Bergstrecke schon mal kürzer ist und man einen kleinen Vorsprung auf die spärlichen Quartiere auf der Strecke hat.
Alle Radler, die in Luang Prabang starten, sind dann zwei Stunden hinter dir. Außerdem gilt es zu bedenken, dass noch Radler aus der anderen Richtung kommen. Auch die brauchen einen Liegeplatz für ihre übersäuerten Muskeln.
Hoffentlich kein schlechten Ohmen. Eine Sarg Ausstellung am Straßenrand
Wegen der kurzen Strecke lasse ich mir Zeit und komme erst nach einem ausgiebigen Baguette mit Cappu weg. Trotzdem beziehe ich schon um 14.00 Uhr ein fast neues Hotel, in dem ich wieder der einzige Gast bin. Nach ein paar kleinen Einstellungen an Sattel und Lenker gibt’s in dem nebenstehenden Karaoke-Restaurant was zu essen.
Sonntag ist Karaokezeit
Es ist Sonntagnachmittag und schon von weiten ist der schräge Gesang zu hören. Als ich das Restaurant betrete, ist der nervige Sänger ausgepowert und dem Beerlao erlegen. Er schläft mit dem Mikrofon um den Hals auf seinem Stuhl. Glück gehabt.
Nudelsuppe als Nachmittagssnack
Essen und Karaoke
Das Restaurant wirbt ganz groß mit Free WIFI. Als ich dann nach dem Codewort frage, bekomme ich die Antwort. WIFI no working.
Ok, dann wird der Blog eben nur vorbereitet.
Gegen 17.30 beginnt die Dämmerung und es wird empfindlich frisch. Auf dem Zimmer noch ein paar Zeilen geschrieben. Wegen des fehlenden Netzes entfällt Whatsapp und das Fernsehprogramm. Was Tun? Na was wohl? Schlafen!!!!
Der frühe Vogel frisst den Wurm
Nachdem die Unterkunft keinen Service bietet und der pappsüße Pulverkaffee noch nicht aufgetischt ist schwinge ich mich schon um 7.30 Uhr in den Sattel. Wenn man so früh startet, ist es besser, das Zimmer schon am Vorabend zu bezahlen. Um die Zeit triffst du nicht unbedingt auf einen Laoten.
Es ist noch ziemlich frisch, und wenn man im Schatten fährt, sieht man den Atem.
Die nächsten 16 km geht es langsam und stetig von 300 Höhenmeter auf 1100 hinauf. Die Gegend ist dünn besiedelt. Mir geht es erstaunlich gut und bin selber überrascht, wie zügig ich vorankomme.
Morgenstimmung vor dem Start in die Berge
Die ersten Höhenmeter. Am See bin ich gestartet
Anstrengend aber Traumhaft
Mir geht es gut und ich komme schnell voran. Die 13 km lange Abfahrt ist ein Genuss und will nicht daran denken, dass ich auf 25 km nochmals auf 1450 m hoch muss.
Rastplatz
Wegen fehlender Restaurants hab ich in Luang Prabang vorsorglich noch zwei Becher Fertigsuppen gekauft. Das erweist sich als überflüssig. In jedem einem einfachen Laden gehört das zur Grundausstattung. Die meisten haben für diesen Fall sogar einen Automaten mit abgefüllt Trinkwasser, das auch noch erhitzt wird. Vom Ladenbesitzer erwerbe ich zwei dieser Suppen.
Zur Nachspeise gibt’s noch ein laotisches Magnum und zwei Biskuits. Magnum-Eis und Cola gehört hier vermutlich zu den Grundnahrungsmitteln, denn das ist im hintersten Winkel von Laos zu bekommen. Die Frage, ob hier die Kühlkette immer eingehalten wird, stelle ich mir besser nicht.
Verpflegung gibts überall
Mein Mittagessen
Die Toiletten entsprechen noch nicht ganz europäischem Standard. Wie es innen aussieht wollte ich nicht wissen.
Jetzt geht’s wieder bergan. Es folgen drei oder vier arme Bergdörfer, dessen Bewohner es wirklich an allem fehlt. Am Straßenrand werden Sträucher getrocknet und durch Schlagen von den Samen befreit. Die werden dann später zu Besen gebunden und für Cent-Beträge verkauft.
Das Leben in den Bergen von Laos ist sehr entbehrungsreich. Die Häuser, bzw. Hütten verdienen den Namen kaum. Im Inneren ist eine betonierte Fläche, auf der sich im hinteren Teil ein paar Matratzen befinden. Ich will mir nicht vorstellen, wie man hier in der Regenzeit wohnt.
Doppelhaushälfte???
Einfamilienhaus? Hütte? Verschlag?
Luxus? Die gemauerte Version.
Siedlung am Wegrand
Kinderspielzeug am Straßenrand
Männer als Babysitter.
Tante-Emma-Laden auf dem Land. Rechts die Tankstelle, daneben die Lebensmittel.
Strapazen
Hab ich irgendwo erwähnt, dass es mir gut geht? Das hat sich inzwischen geändert. Die Strecke zieht sich. Es wird trotz der Höhe recht heiß und mir geht immer mehr die Kraft aus. Die Pausen werden länger und bei starker Steigung muss ich schieben. Die beiden Gepäcktaschen hängen am Rad wie eine Horde Elefanten. Die Bananen von gestern sind längst aufgebraucht.
Vor jeder Kurve ein verzweifelter Blick auf das Navi, in der Hoffnung endlich am Ziel anzukommen. Wohl wissend, dass das ein Trugschluss ist. Aber auch hier gilt die alte Weisheit. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Es geht immer höher hinauf
Solange ich im Sattel sitze, gibt es keine Probleme, kaum abgestiegen spielt der Kreislauf verrückt und mir wird für kurze Zeit schwindlig. Es dauert seine Zeit, bis der Körper wegen der geduckten Sitzhaltung auf dem Rad, wieder in mit allen Körperteilen optimal vom Kreislauf versorgt wird.
Ein Kollege am Straßenrand
In einer der Kurven sitzt dann der Radler, den ich gestern in Luang Prabang überholt habe. Es ist Tural aus Aserbaidschan. Wir kommen kurz zum Ratschen. Er bietet mir Wasser und Kekse an.
Ich trau mich nicht hinsitzen. Die Angst nicht mehr hoch zukommen ist zu groß.
Jetzt müsste doch endlich der Pass erreicht sein. Leider geht es immer noch unendlich lange fünf Kilometer weiter. Gott sei Dank sind die Steigungen inzwischen moderat und wechseln sich mit leichten Abwärtsfahrten ab. Trotzdem schleppe ich mich mit letzter Kraft in den Ort. Es ist inzwischen 16.00 Uhr und es wird wegen der Höhenlage recht frisch.
Stinkende Kloake
Die beiden ersten Gasthäuser sind bereits ausgebucht. Bleibt nur noch ein wirkliches Loch mit alter Matratze und stinkigem Gemeinschaftsklo daneben. Mir steht wirklich das Grauen in den Augen. Was hab ich für eine Wahl?
Die Chinesin von Haushaltswarenmarkt nebenan sieht meine Verzweiflung und hat Mitleid. Nee, vermutlich ist sie nur geschäftstüchtig und fragt, ob ich ihre Zimmer auch noch sehen möchte. Was für eine Frage, schlimmer kann ja nicht mehr kommen. Hermann und Eva hatten nicht so viel Glück.
Luxusquartier
Sie führt mich durch einen Hinterhof, in dem sie noch drei Gästezimmer hat. So etwas wie der Notgroschen. Das sind in diesem Fall drei Räume mit je einer Matratze auf dem Boden. Das WC und die Dusche sind gegenüber. Auch kein Luxus, aber doch um Welten besser. Ich weiß nicht mehr, was ich bezahlt habe. Ich glaube 100.000 kip. Gestern hatte ich in dem Neubau mir eigener Toilette 60.000 bezahlt. Tja, die paar Räumlichkeiten kann man aus der Not heraus teuer verkaufen.
Zugang zu meinem Appartement
Die Toiletten und die Dusche. Die Hände werden im Kübel gewaschen.
Schlaf gut.
Geschäftstüchtig
Meine Vermieterin schleppt mich dann auch gleich in das Restaurant ihrer Mutter. Somit bleibt auch der letzte Kip in der Familie.
Dort sitzt inzwischen Tural bei gebratenen Nudeln und einem Bier. Mir wird auch gleich ein Teller Nudeln vorgesetzt. Die Nudeln wurden frisch zubereitet und haben hervorragend geschmeckt. Ich bin aber so fertig, dass ich nicht mehr als 10 Bissen hinunterbekomme. Selbst die hab ich nur gegessen, weil ich die Oma, die sie zubereitet hat, nicht enttäuschen wollte.
Dabei hab ich mit Tural noch ein paar Worte gewechselt. Er spricht wie alle hervorragend englisch und würde gerne Europa beradeln. Das scheitert aber an dem Schengener Abkommen, das ihm nur eine 90-tägige Aufenthaltsdauer zugesteht. Er erzählt, dass er 6 Jahre bei der UNO gearbeitet hat. Da hatte er einen Pass, mit dem er in jedes Land der Erde ohne Kontrolle und Aufenthaltsbeschränkung reisen konnte. Er muss dann wieder los, es wird langsam dämmrig und er braucht noch einen Zeltplatz. Das Campen ist hier in den Bergen ein Problem. Es gibt fast nirgends eine ebene Fläche zum Zelt aufstellen und wenn dann ist es oft eine schmale Stelle, die von den Bewohnern dem Berg abgeluchst wurde und selbst benötigt wird. Außerdem sind die steinigen Flächen alles andere als kuschlige Liegeplätze.
Ich lauf noch etwas den Ort entlang. Hab mich ja heute fast nicht bewegt!!!! Ob wohl hier auf der Passhöhe fast jedes Auto, jeder Bus und Lkw hält und ein paar Geldscheine liegen lässt, ist es ein dreckiges, armes Dorf.
Fließendes Wasser haben nur ein paar Häuser in der Dorfmitte. Am Dorfbrunnen stehen die Mädchen und Frauen und betreiben ganz öffentlich ihre Körperpflege. Die Kinder sind mit Karren unterwegs und holen in Kanistern Wasser für zu Hause.
Wasser holen ist Aufgabe der Kinder
Körperpflege am Dorfbrunnen in Pho Kheme
Am Abend treffen sich die Frauen am Dorfbrunnen zur Körperpflege und zum Wäschewaschen.
Der Hund steht nicht auf Nudeln im Topf. Die Hühner haben vorher schon gekostet.
Der örtlich Motorradhändler. Rustikale Zufahrt!
Meine Vermieterin bringt mir noch eine zweite Decke. Sie meint, heute Nacht wird es kalt und die könnte ich gut gebrauchen. Dann zeigt sie mir noch zwischen den alten Hütten einen schönen Platz für den Sonnenuntergang. Ich bin aber so fertig, dass ich die 15 Minuten nicht mehr abwarten kann. Ich liege schon um 17.30 auf der muffigen Matratze.
Heute hab ich mich, so wie ich vor einer Stunde vom Fahrrad gestiegen bin, in mein Schlafsack-Inlett verkrochen. Beim Kopfkissen bin ich auch nicht ganz sicher, ob der Überzug heuer schon gewechselt wurde, das Jahr ist ja noch jung, und stecke es in mein T-Shirt.
Ich schlafe wie ein Murmeltier bis in der Früh um sechs Uhr. Als ich mein Quartier verlasse, stehen noch zwei Räder nebenan. Scheinbar sind gestern bei Dunkelheit noch zwei Radler aus Vang Vieng gekommen.
Ich bin fix und fertig und stolz auf meine Leistung. Vor allem aber bin ich demütig und dankbar in einer Welt geboren zu sein, in der wirkliche Armut ein Fremdwort ist.
Hier die Route auf Komoot
31 Rad: Laos – Luang Pabang – Xiang Ngeum – https://www.komoot.de/tour/1409407229
32 Rad: Laos – Xiang Ngeun – Pho Kham (Kiewkachan) – https://www.komoot.de/tour/1409408484
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